Wie arbeiten Gig-Worker:innen in der Schweiz

Ein Beispiel für Gig Work sind Lieferdienste, bei denen die Kunden per App Gerichte aus ihrem Lieblingsrestaurant bestellen können.

Gleich zwei NFP 77 Forschungsprojekte setzten sich mit dem Phänomen der Plattformarbeit auseinander. Wer führt welche Aufträge aus? Wie lang sind die Einsätze? Und wie ergeht es den Arbeitenden dabei? Die Forschung weiss Antwort.

Gleich zwei Forschungsprojekte im Nationalen Forschungsprogramm NFP 77 befassen sich der neuen Arbeitsform, die die digitale Transformation mit sich bringt: Die Plattformarbeit. Ende Mai 2024 präsentierten beide Teams an einer Tagung ihre Erkenntnisse und vertieften die Diskussionen in anschliessenden Workshops mit Stakeholdern.

Plattformarbeit ist eine zeitlich begrenzte Tätigkeit von Einzelpersonen die von einer Online-Plattform vermittelt werden, ohne dass die Arbeitnehmer:innen ein langfrsitiges Arbeitsverhältnis mit der Firma oder den Kunden haben. Bekannte Beispiele sind Essenslieferdienste, aber auch hochqualifizierte Fachpersonen können auf Plattformen gefunden werden, wie z.Beispiel Köch:innen, Handwerker:innen und Grafikdesigner:innen.

In der Schweiz nimmt jede 10te Person einmal in der Woche Arbeiten via Plattformen entgegen (Syndicom, 2017).

Beschäftigungsgrad, und Bildungsstand von Plattformarbeitenden

Caroline Straub vom Institut New Work an der Berner Fachhochschule und Daniel Spurk vom Institut für Psychologie an der Universität Bern wollten mit ihrem Forschungsprojekt mehr über die Arbeits- und Karriereerfahrungen von Gigworkerinnen erfahren. Gemeinsam mit ihrem Team haben sie im Rahmen des NFP 77 qualitative Interviews und quantitave Umfragen durchgeführt und daraus spannende Erkenntnisse gewonnen. Eine Auwahl:

  • 33.4% der der Befragten arbeiten im Schnitt 18 Stunden pro Woche via Online Plattformen
  • Mehr als die Hälfte macht eher kurze Einsätze: Zwischen 4h und 8h
  • Mehr als die Hälfte kombiniert Gigwork mit einer Festanstellung oder einer Selbstständigkeit
  • Mehr als die Hälfte der Gig-Workerinnen oder Freelancer haben eine höhere Ausbildung

In den Interviews haben die Arbeitnehmenden dieser neuen Arbeitsform auch über die Herausforderungen gesprochen. Ein Thema ist beispielsweise die fehlende soziale Eingebundenheit: Firmenfeiern oder Kaffeepausen finden ohne Platformarbeiter:innen statt. Auch die begrenzte Verhandlungsmacht bei Interaktionen mit Kund:innen ist eine Herausforderung, denn Plattformarbeitende sind auf gute Bewertungen angewiesen. Das Einkommen ist unregelmässig und sie müssen sich ständig um Aufträge bemühen, sich selbst promoten.

Die Chancen der Arbeit auf Abruf

Personen die Arbeiten via Online-Plattformen entgegen nehmen, sehen in dieser neuen Arbeitsform auch Chancen. Beispielsweise die zeitliche-und inhaltliche Flexibilät der Arbeit, den Zugang zu neuen Tätigkeitsfeldern und Karriereoptionen oder die Möglichkeit sein eigener Chef oder seine eigene Chefin zu sein.

Flexwork in der Pflege

Florian Liberatore von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Petra Klumb von der Universität Fribourg nahmen einen konkreten Bereich der Arbeitsvermittlung via Plattformen genauer unter die Lupe: Die Vermittlung von Pflegefachpersonen.

In der Pflege sind verschiedene Arbeitsmodelle, die via Plattformen organisiert werden, im Einsatz: Temporär und Springer-Kräfte für kürzere oder längere Einsätze oder Mitarbeitende in internen Pools, die abteilungs- und funktionsübergreifend eingesetzt werden.

Dieses Arbeitsmodell hat für die Pflegefachpersonen viele Vorteile, wie die Befragung von KlumbsTeam zeigt: Temporäre Pflegefachpersonen berichten von einer etwas höheren Arbeitszeitkontrolle und auch die Entlöhnung schätzen sie als fairer ein als Festangestellte. Die gefühlte Wertschätzung, hingegen, ist bei Temporären tiefer als bei Festangestellten. Die Herausforderungen sind aber auch hier die Planbarkeit der Einsätze (vom Eintrag auf einer Plattform bis zu Schichteinsatz vergehen im Schnitt rund 30 Tage).

Arbeiten auf Abruf in der Pflege ist mit Chancen verbunden, die auch eingelöst werden, (z.B. Arbeitszeitkontrolle). Flexwork stellt Organisationen aber auch vor Herausforderungen. Beispielsweise die Integration im Team. Der Trend in der Pflege geht in Richtung interne Personal-Pools. Für Organisationen kann der Einsatz von Kapazitätsmanagement-Systemen zur zielgenauen Diagnose von Personalbedarf hilfreich sein.

Florian Libatore, Petra Klumb
Fazit
Wie arbeiten Gig-Worker:innen in der Schweiz
Podiumsdiskussion: Dr. Alain Meyer (Careanesth), Sheila Karvounaki Matri (Spacesheep), Nicole Kopp (Moderation), Dr. Nicola Cianferoni (Seco), Yves Schneuwly (Coople), Michael Moser (Syndicom).

Workshops zur Verbesserung der Arbeit via Plattformen

Im Anschluss an die Präsentationen führten die Forschungsgruppen Workshops mit verschiedenen Stakeholderns durch. Florian Liberatore diskutierte beispielsweise mit Vertreter:innen von Temporäragenturen und dem Schweizer Berufsverband der Pflegfachfrauen und Männern über die Integration von Flexarbeit in der Pflege bei Spitälern.

Lorenz Affolter analysierte, wie die psychologischen Bedürfnisse der Plattformarbeiter:innen verbessert werden könnte. Beispielsweise mit Offline oder Online Community Events um die soziale Eingebundenheit zu fördern oder mit einem Dasbhoard für die Prognose und Optimierung der Stunden und des Einkommens um die Selbstbestimmung zu erhöhen.

In einem Workshop von Clara Zwettler und Caroline Gahrmann diskutierten die anwesenden Gäste was FlexWork in Bezug auf die Weiterbildung und die Entwicklung von Plattformarbeitenden bedeutet. Was ist zu bedenken?

Vertiefte Unterlagen zum Thema FlexWork

Ein umfassender Einblick in die Forschung im Rahmen des NFP 77 zum Thema «FlexWork» geben die Präsentationen von Caroline Straub, Petra Klumb und Florian Liberatore an der Veranstaltung Ende Mai 2024:

Diese Forschungsarbeiten finden im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms (NFP 77) statt, welches 46 Projekte rund um die «Digitale Transformation» begleitet.