Digitaler Wandel in der Bildung benötigt viel Verständnis und Zusammenarbeit
Die am 24. September in Bern veranstaltete erste Dialogveranstaltung des Nationalen Forschungsprogramms NFP 77 widmete sich der Frage, wie die Digitalisierung im Schweizer Bildungssystem genutzt wird.
Der Schweizer Nationalfonds organisierte die Tagung in Zusammenarbeit mit Educa, der nationalen Fachagentur für den digitalen Bildungsraum im Auftrag von Bund und Kantonen.
Rund 80 Fachleute kamen zusammen, um aktuelle Forschungsergebnisse zu diskutieren. Im Zentrum standen Forschungsprojekte, die auf verschiedenen Bildungsstufen angesiedelt sind:
Dorothee Brovelli von der Pädagogischen Hochschule Luzern untersuchte, wie digitale Medien durch Lehrkräfte in den MINT-Fächern auf Sekundarstufe I eingesetzt werden. Dabei konnte sie feststellen, dass es den Lehrkräften noch schwerfällt, ihr fachdidaktisches Wissen bei digitalen Lehrmedien einzusetzen und diese korrekt zu beurteilen. In der Folge ist die Qualität der eingesetzten Medien, etwa Erklärvideos, sehr heterogen – sowohl in fachdidaktischer wie auch in mediengestalterischer Sicht.
Dominik Petko, vom Institut für Erziehungswissenschaften der Uni Zürich, führte in seinem NFP77-Projekt eine umfassende Erhebung der Nutzung digitaler Medien in der Sekundarstufe II durch, wobei er sowohl Schulleitungen, Lehrpersonen wie auch Schüler:innen befragte. Dabei zeigte sich, dass zwar alle den digitalen Medien eine hohe Bedeutung beimessen, dass aber noch viele Unklarheiten und Unsicherheiten bestehen und das Potential der digitalen Medien für den Unterricht und das Lernen noch nicht genutzt wird. So werden die digitalen Medien vor allem passiv genutzt, etwa durch das Anschauen von Videos. Wie auch Brovelli plädierte Petko für einen Fokus auf die Qualität der Mediennutzung statt auf die Quantität.
Katja Rost und Philippe Saner vom Soziologischen Institut der Universität Zürich untersuchten wiederum, wie Schweizer Hochschulen mit der Digitalisierung umgehen und diese für ihre Weiterentwicklung strategisch einsetzen. Obwohl Digitalisierung schon seit Jahrzehnten an den Hochschulen bearbeitet wird, ist erst in den letzten 10 Jahren ein starker Aufwärtstrend zu verzeichnen – sowohl in den Jahresberichten, wie auch bei den Publikationen und den Lehrgängen. Die meisten Schweizer Hochschulen positionieren sich damit im Feld der Digitalisierung strategisch, wobei sie aber unterschiedliche Ansätze wählen.
Anne Parpan von der Hochschule für Soziale Arbeit an der FHNW verwies in ihrem Beitrag darauf, dass dabei die digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderung stets mitgedacht werden sollte. In ihrem NFP77-Projekt konnten sie zeigen, dass das Thema Inklusion bei den Berufsbildungsorganisationen zwar als sehr wichtig erachtet wird, dass aber weniger als ein Drittel der Organisationen Zugänglichkeit in Digitalisierungskonzepten berücksichtigen.
Der Austausch mit den anwesenden Praxisvertreter:innen machte deutlich, dass wir mitten in einem Wandel stecken und dass es viel Verständnis und Zusammenarbeit braucht, um diesen Wandel aktiv zu gestalten und die Potentiale der Digitalisierung produktiv zu nutzen. Mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass es dafür auch einen stärken Dialog zwischen Forschung und Praxis benötigt; nicht zuletzt, um sich in diesem schnell wandelnden Feld agil bewegen zu können.