Personalisierte Nachrichten: Was Medienschaffende und Nutzende davon halten

Auf Online-Nachrichtenportalen kommen algorithmische Empfehlsysteme zum Einsatz, die Inhalte auf Basis der bisherigen Nutzung vorschlagen.

Das Forschungsteam unter der Leitung von Frank Esser (Universität Zürich) untersucht im Rahmen des NFP 77 die Auswirkungen von Nachrichtenempfehlungssystemen auf die Medienlandschaft und die Nutzer:innen.

Nachrichtenempfehlungssysteme – kurz NRS – basieren auf Algorithmen, die Leser:innen Inhalte, unter anderem auf Basis ihrer bisherigen Nutzung, empfehlen. Diese Nachrichtenempfehlungssysteme werden auf Social-Media-Plattformen und auf Online-Nachrichtenportalen eingesetzt.

Welche Rolle spielen diese Systeme für Medienunternehmen in der Schweiz und den Niederlanden und wie werden diese Systeme von Nutzer:innen im internationalen Vergleich wahrgenommen? Dazu befragte das Forschungsteam unter der Leitung von Frank Esser (Universität Zürich) zuerst 36 Expert:innen, die in Medienunternehmen tätig sind, und führte anschliessend eine repräsentative Befragung mit Nutzer:innen in fünf Ländern durch.

Medienschaffende sind skeptisch gegenüber NRS

In der Schweiz sind Nachrichtenempfehlungssysteme noch in der Testphase. Medienunternehmen experimentieren und suchen noch nach dem optimalen Einsatz dieser Systeme auf ihren Nachrichtenportalen. Obwohl die Expert:innen erkennen, dass NRS der Leserschaft Orientierung im Dickicht der Artikel bieten kann, besteht die Sorge, dass die redaktionelle Kontrolle durch die automatisierten Empfehlungen geschwächt wird. Viele Medienschaffende zweifeln laut den Forschungsergebnissen zudem am konkreten Nutzen.

Fazit der Forschenden:

«Mit dem gemeinsamen Ziel, ein Gleichgewicht zwischen algorithmischer Personalisierung und redaktioneller Integrität herzustellen, kann sich die Entwicklung von NRS in Richtung «verantwortungsbewusster» NRS bewegen, die Transparenz, Nutzerkontrolle und Vielfalt berücksichtigen.»

Grundsätzlich positive Einstellung zu NRS seitens Leserschaft

Die befragten Leser:innen zeigen grundsätzlich eine positive Einstellung zu algorithmischen Nachrichtenempfehlungssystemen. Sie sehen den Nutzen vor allem in den Bereichen Sport, Unterhaltung und Promi-News. Personalisierte Newsletter und Push-Benachrichtigungen lehnen die befragten Nutzer:innen jedoch ab.

Allerdings: Die Befragten gaben an, dass ihr Vertrauen in Medienunternehmen, von denen sie vermuten, dass sie Nachrichtenempfehlungssysteme einsetzen, geringer ist.

Ein «verantwortungsbewusster» Einsatz von NRS, das wünschen sich auch die Nutzer:innen der fünf Länder, die die Forschenden befragt haben. Sie erwarten Transparenz über die Verarbeitung ihrer Daten und eine Offenlegung, wenn Inhalte durch Algorithmen empfohlen werden.

In der Schweiz sind die Nutzer:innen (noch) skeptisch gegenüber Nachrichtenempfehlungssystemen. Anders in den USA oder dem Vereinigten Königreich, wo Medienunternehmen NRS bereits in grösserem Umfang einsetzen. Dort haben die Nutzende laut den Umfrageergebnisse eine positivere Einstellung zu diesen Systemen.

Zusammengefasst, die wichtigsten Punkte aus der Studie:

  1. NRS können positive Auswirkungen auf Medienunternehmen und Nutzer:innen haben, wenn die nötigen Ressourcen zur Verfügung stehen und die Ansprüche der Technik mit jenen des Journalismus ausbalanciert sind.
  2. Institutionalisierte Formen der Zusammenarbeit und regelmässiger Austausch zwischen IT, Redaktion und Business können Spannungen verhindern.
  3. Damit das Vertrauen in die Medien nicht beeinträchtigt wird, sind eine Ausrichtung von NRS nach journalistischen Kriterien (etwa Relevanz und Diversität) sowie Transparenz und Aufklärung über Algorithmen zentral.
  4. Um die Akzeptanz von NRS zu steigern, müssen die Vorteile für Nutzer:innen aktiv kommuniziert und Ängste über Filterblasen und Datenmissbrauch abgebaut werden.
  5. Präferenzen und Einstellungen von Schweizer Mediennutzer:innen ähneln in vielerlei Hinsicht den Einstellungen von Nutzer:innen in anderen Ländern. Schweizer Mediennutzer:innen sind aber kritischer eingestellt als Nutzer:innen in Ländern, in denen die Nutzung von NRS fortgeschrittener ist (wie USA oder UK).

Vertiefte Informationen zur Studie finden Sie im neu publizierten Factsheet:

Die Rolle von Nachrichtenempfehlungssystemen in digitalen Demokratien (PDF)

Diese Forschungsarbeiten finden im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms (NFP 77) statt, welches 46 Projekte rund um die «Digitale Transformation» begleitet.