Digital, erfolgreich und glücklich? Rezepte für die neue Arbeitswelt
Mehr Freiheiten und Flexibilität: macht die Digitalisierung die Arbeitswelt einfacher und besser? In Wahrheit haben die neuen Möglichkeiten ihren Preis.
Relax-Sessel, Rutschbahnen und Tischfussball: wir alle kennen die Bilder der diversen Google-Niederlassungen, wo sich Arbeitnehmende treffen, entspannen und inspirieren. Caroline Knöri hat als HR-Chefin während sieben Jahren die Arbeitsbedingungen bei Google mitgestaltet. Sie weiss aber auch, dass bei allen Freiheiten, die nicht zuletzt der Digitalisierung zu verdanken sind, letztlich knallharte Resultate zählen. So erwartete die Firma von ihr und ihren Kolleginnen wöchentliche Fortschrittsberichte, und sie selbst wurde als Managerin halbjährlich von ihrem Team bewertet.
Mit sehr flexiblen Arbeitsbedingungen steht der Techriese Google mittlerweile längst nicht mehr alleine, spätestens seit dem Lockdown 2020 ist die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, in den meisten Bereichen zur Realität geworden. Bedeutet das für die Arbeitgebende der Kontrollverlust und für Angestellte einen unlimitierten «Vertrauensvorschuss»? Caroline Knöri, die mittlerweile HR-Managerin beim Investmenthaus Vontobel ist, differenziert: «Spätestens seit der Finanzkrise von 2008 haben wir begonnen, den Begriff «Vertrauen» in der Arbeitswelt neu zu denken. Die Grundvoraussetzung ist, an das Gute im Menschen zu glauben. Dennoch ist es aber wichtig, starke Signale zu senden, immer wachsam zu bleiben und Fragen zu stellen.» Dies seien die Rahmenbedingungen, damit Vertrauen und Zusammenarbeit funktionieren.
«Das tönt zwar sehr gut», findet Laurenz Meier, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Neuchâtel, «aber häufig sind diese Spielregeln den Beschäftigten nicht so klar. Sie stellen Fragen: Wenn ich von zuhause arbeite, muss ich Emails auch um zehn Uhr abends beantworten? Bedeuten flexible Arbeitszeiten, dass ich ständig erreichbar sein muss? Befinde ich mich in der Grauzone, wenn ich nebenbei noch die Waschmaschine starte?». Wenn solche Fragen nicht klar geregelt sind, so konstatiert Meier, werden die Aufgabe, eine Balance zu finden zwischen den Firmeninteressen und den individuellen Bedürfnissen, ganz einfach auf die Arbeitnehmenden abgewälzt. Diese fühlen sich dann ständig in einer Grauzone, in der die Rollen verschwommen sind, wie Meier in seiner Forschung beobachtet.
Alles eine Frage der Kommunikation, entgegnet Knöri. Der Und räumt ein, dass durch die Digitalisierung und das mittlerweile weit verbreitete Home-Office die Notwendigkeit der Kommunikation enorm gestiegen sei. «Ansonsten bin ich nicht sicher, ob Unternehmen heute mehr von ihren Angestellten erwarten als früher», so Knöri, «aber sicher ist, dass sich das Verständnis von gelingender Zusammenarbeit gewandelt hat. Es gilt nicht mehr die Formel «ich gebe dir meine Zeit, du gibst mir Geld dafür». Denn Mitarbeitende sehen sich nicht als «Passagiere» im Unternehmen, sondern wollen sich engagieren, gefordert werden und sich weiterentwickeln.
Dabei geraten die Mitarbeitenden in Führungspositionen immer mehr in den Fokus von HR und Forschung zugleich. Hier sind sich die HR-Frau und der Forscher einig: Führungsleute aller Stufen spielen eine Schlüsselrolle in der heutigen Arbeitswelt. Sie sind es, die neben ihrem eigentlichen Job auch sicherstellen, dass die Bedürfnisse der Firma und jene der Arbeitnehmenden befriedigt werden. Und gleichzeitig müssen sie ihre Teams motivieren und inspirieren, weil für die Unternehmen letztlich die Leistung zählt.
NFP 77 Projekt: Arbeit immer und überall: Wie gelingt die Abgrenzung von Beruf und Privatleben?
Nach einem durch die Pandemie bedingten teilweise schwierigen Start in die Forschungsphase haben praktisch alle Projekte Fahrt aufgenommen und in vielen Fällen sogar erste Zwischenresultate erarbeitet. Das war der Zeitpunkt, um die Forschung und die Praxis, an die sich die Resultate eines Nationalen Forschungsprogramms richten, ein erstes Mal zusammentreffen zu lassen. Am ersten Programm Meeting formulierten Persönlichkeiten aus dem Kreis der Stakeholder ihre Thesen, Fragen und Erwartungen an das NFP 77. Forschende reflektierten und konterten. Insgesamt ein Tag des intensiven Austausches.