Auswirkungen des Steuerwettbewerbs auf die digitale Wirtschaft

Die digitale Transformation verändert die Unternehmenswelt in der Schweiz. Im Rahmen dieses Projekts wird eine Datenplattform eingerichtet, mit der sich diese Veränderungen messen lassen.
Projektbeschrieb (abgeschlossenes Forschungsprojekt)
Das Projektteam unter der Leitung von Marco D'Ambros (Università della Svizzera italiana) und Raphael Parchet (Università della Svizzera italiana) hat eine Datenplattform entwickelt. Anhand der bereitgestellten Daten können Unternehmen von ihrer Gründung bis zur Abmeldung zeitlich und räumlich verfolgt werden, zudem sind Informationen über ihre Organisations- und Netzwerkstruktur abrufbar. Die Plattform enthält Daten zu insgesamt 1,3 Millionen Unternehmen, die seit 2002 in der Schweiz tätig sind, und eine Sammlung von mehr als 5 Millionen Einträgen aus dem Schweizerischen Handelsamtsblatt.
Auf der Basis dieser Informationen analysierten die Forschenden die Auswirkungen von Änderungen im Steuersystem auf die Standortwahl von Unternehmen, wobei der Schwerpunkt auf der digitalen Wirtschaft lag.
Hintergrund
Bisher war über die Unternehmen in der Schweiz wenig bekannt, insbesondere über ihre Organisations- und Netzwerkstrukturen sowie ihre räumliche und zeitliche Entwicklung. Entsprechende Daten waren über die kantonalen Handelsregister verstreut, die einen unterschiedlichen Detaillierungsgrad aufweisen. Im zentralen Register fehlen Längsschnittdaten mit Informationen über die Entwicklung der einzelnen Unternehmen im Laufe der Zeit.
Ziel
Mit dem Projekt wurden zwei Hauptziele verfolgt:
Aufbau einer offenen, skalierbaren Datenplattform, die es ermöglicht, Unternehmen von ihrer Gründung bis zur Abmeldung zeitlich und räumlich nachzuverfolgen und Informationen über ihre Organisationsstruktur und ihren Standort zu erhalten.
Nutzung dieser Datenplattform zur Beantwortung der Frage, wie kantonale und lokale Steuersätze die Standortwahl und Organisationsentscheide von Unternehmen beeinflussen, insbesondere in der digitalen Wirtschaft.
Bedeutung
Diese neue Datenplattform zeigt, wie neue digitale Sektoren in der Schweiz entstehen, wie sie mit traditionellen Branchen verflochten sind und wo sie sich räumlich konzentrieren. Sie ermöglicht es, wichtige Trends in der digitalen Wirtschaft zu erkennen. Aus den Daten geht auch hervor, wie Unternehmen auf unterschiedliche Steuersätze reagieren. Die Erkenntnisse sind zentral dafür, dass bei künftigen Anpassungen im Steuersystem ein fairer Wettbewerb und die Innovationsfähigkeit aller Regionen gewährleistet wird.
Ergebnisse
Hauptziel des Projekts war der Aufbau eines umfassenden Datensatzes zur Unternehmenslandschaft in der Schweiz, mit einem Fokus auf der digitalen Wirtschaft. Die Plattform beinhaltet Daten zu 1,3 Millionen Unternehmen und Angaben über ihren digitalen Status. Das Projekt hat ergeben, dass 11 % der Schweizer Unternehmen als digital eingestuft werden können – und dass sie ganz anders auf Steuerunterschiede reagieren als nicht-digitale Firmen.
Drei zentrale Botschaften
Der Begriff «digitale Wirtschaft» muss genau definiert werden.
Das Projektteam orientierte sich an der Definition des US-Handelsministeriums und teilte die digitalen Unternehmen in sechs Sektoren ein: Hardware, Software, E-Commerce, Telekommunikation, Webdesign und digitale Medien. In der Literatur besteht jedoch kein Konsens darüber, aufgrund welcher Kriterien ein Unternehmen zur digitalen Wirtschaft zählt. Die Einordnung kann sich ausserdem ändern: Gewisse Unternehmen werden heute vielleicht der digitalen Wirtschaft zugerechnet, zu einem späteren Zeitpunkt aber nicht mehr. Empfehlungen an die Politik sollten daher vorausschauend sein, und der Begriff der digitalen Wirtschaft sollte so definiert werden, dass er auch in Zukunft gültig bleibt.Staaten und internationale Organisationen behandeln die digitale Wirtschaft meistens als homogene Gruppe.
Die Forschungsergebnisse zeigen eine erhebliche Heterogenität zwischen den digitalen Unternehmen, insbesondere in Bezug auf ihre Sensibilität gegenüber Steuerunterschieden. Digitale Unternehmen mit breitem Leistungsangebot reagieren weitaus stärker auf Unterschiede in den kommunalen Steuersätzen als spezialisierte digitale Unternehmen oder nicht-digitale Unternehmen. Im Gegensatz dazu lassen sich spezialisierte digitale Unternehmen nicht durch höhere Steuersätze abschrecken. Staaten und internationale Organisationen sollten daher diese Heterogenität bei der Gestaltung ihrer Politik berücksichtigen.Tiefe Steuern sind nicht das Hauptkriterium bei der Standortwahl von digitalen Unternehmen.
Dies gilt insbesondere für spezialisierte digitale Unternehmen. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Unternehmen stark von Agglomerationseffekten profitieren. Das Projektteam stellte auch fest, dass spezialisierte digitale Unternehmen eine starke geografische Bindung haben (geringe Mobilität).
Originaltitel
Firms and tax competition in the digital economy: a data platform for geo-temporal network analysis
